Letzte Zeche Alte Haase schloss 1969
Nach dem Sieg Karls des Großen über die Sachsen gehörte das Gebiet zwischen Ruhr und Wupper, in dem die heutige Stadt Sprockhövel liegt, zum fränkischen Reich. Menschliche Siedlungsspuren aus der Zeit vorher sind im Stadtgebiet nicht nachzuweisen.
Um das Jahr 1000 wird der Name Sprockhövel erstmals in einem Traditionenverzeichnis der Benediktinerabtei Werden an der Ruhr erwähnt: Die Siedlung ,,Spurkinhuvelo“ hat dem Kloster eine Abgabe in Getreide zu entrichten.
Weitere mittelalterliche Grundherrschaften in Sprockhövel sind unter anderem
- das Damenstift Essen,
- das Zisterzienserinnenkloster Gevelsberg,
- die Herren von Volmarstein,
- der Erzbischof von Köln und
- der Graf von der Mark.
Die kirchliche Betreuung der rasch anwachsenden Bevölkerung zwischen Hattingen und Schwelm machte die Errichtung eines eigenen Kirchspiels in Sprockhövel erforderlich.
Im Jahr 1147 wurde eine Kirche in Sprockhövel erstmals erwähnt. Um die Kirche herum entwickelte sich bald eine dörfliche Siedlung als Zentrum einer weitläufigen Landgemeinde. Gegen 1784 wurde die Sprockhöveler Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen und der Neubau im Stil des Barock begonnen.
Um 1400 wurde die Sprockhöveler Mark erwähnt als gemeinschaftlich genutzter Grund und Boden. Die Markgenossenschaft, der die älteren Höfe angehörten, regelte die Nutzung nach strengen Bestimmungen und garantierte dadurch den Erhalt von Wald und Feld als notwendigen Lebensraum der Nutztiere und Lieferant von Nahrungsmitteln und des Werkstoffs Holz. Das 1486 angelegte ,,Schatzbuch der Grafschaft Mark“, einer nach Ämtern und Bauernschaften unterteilten Steuerliste, nannte für Sprockhövel 49 besteuerte Höfe. Der Schulte zu Leveringhausen in der Bauerschaft Hiddinghausen besaß den mit 15 Gulden am höchsten besteuerten Hof des gesamten Verzeichnisses. Die im Schatzbuch erstmals angeführten Bauernschaften waren Vorläufer der späteren Landgemeinden und hatten bis 1806 Bestand.
Steinkohle und Eisen schon im Mittelalter
Die Gewinnung von Steinkohle und Eisenstein und deren Verhüttung im Raum Sprockhövel lässt sich schon für das Mittelalter belegen. In den Bergen südlich der Ruhr, wo die Flöze des produktiven Karbon an die Oberfläche treten, steht die Wiege des Ruhrbergbaus. In den Wäldern Sprockhövels sind heute noch zahlreiche Spuren des frühen Bergbaus zu entdecken. Pingen (Vertiefungen) und Halden mit Resten von Feinkohle beziehungsweise Eisenschlacke verdeutlichen anschaulich, dass manches Stück Land regelrecht durchpflügt worden ist. Einige noch erhaltene Teile von Hohlwegen bezeugen ein lebhaftes Transportwesen.
Das fiskalische Interesse des nun brandenburgisch-preußischen Staates an der Gewinnung der Steinkohle machte aus dem bäuerlichen Nebenerwerb ,,Kohlegraben“ ein spezialisiertes und reglementiertes Unterfangen. Noch lange scheiterte ein geregelter und fachgerechter Abbau der Kohle an mangelndem Interesse, fehlenden Kenntnissen der Gewerken und an unzureichender Aufsicht. Die ,,renovierte Bergordnung“ von 1737 stieß auf heftigen Protest gerade der hiesigen ,,Gewerken“, die sich in ihren Gewohnheitsrechten und Freiheiten eingeschränkt sahen. Das nun beschlossene ,,Direktionsprinzip“ war der Beginn eines strikt behördlich geregelten und kontrollierten Bergbaus, den das gleichzeitig gegründete märkische Bergamt gewährleisten sollte.
Man kann sich die frühen Zechen übrigens nicht klein genug vorstellen: Die Zeche ,,Glückauf“ in Gennebreck zählte 1737 mit 17 Beschäftigten zu den größten der Grafschaft Mark. Im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert stand auch die Kleineisenfabrikation in voller Blüte.
Die ,,Sprockhövelsche Metall und Eisenfabrik“ war als Zunft organisiert und umfasste im Jahr 1800 unter anderem 184 Meister aus dem Raum zwischen dem Süden Bochums und (Hattingen-)Elfringhausen, die in ihren kleinen Schmieden Messer, Schlösser, Beschläge, Goldwaagen, Nägel, Schrauben und dergleichen fertigten. Einige Sprockhöveler Kaufleute waren auf den Fernhandel mit diesen renommierten Erzeugnissen spezialisiert. Durch die Einführung der Gewerbefreiheit und die darauf folgende Industrialisierung verloren die hiesigen Schmiede und Kunsthandwerker ihre hervorragende Bedeutung im eisenverarbeitenden Gewerbe.
Haßlinghauser Hütte zählte 180 Beschäftigte
Bergbau und Kohlentransportwesen bestimmten neben der Landwirtschaft auch im 19. Jahrhundert das Wirtschaftsleben Sprockhövels. Hinzu kamen zahlreiche Steinbruchbetriebe, Schmieden und Schnapsbrennereien. Besonders in der Gemeinde Gennebreck war die Bandweberei sehr verbreitet.
Hauptabnehmer der Sprockhöveler Produkte, ob Steinkohle, Ruhrsandstein oder landwirtschaftliche Erzeugnisse waren die Betriebe und Menschen des benachbarten Bergischen Landes.
Die ,,Wittener Hauptkohlenstraße“ durch Hiddinghausen und Haßlinghausen, Teil der heutigen B 51, galt um 1820 als der ,,befahrenste Weg in der Grafschaft Mark und man möchte fast sagen, im ganzen preußischen Staate“.
Mit dem Siegeszug der Eisenbahn, die das Sprockhöveler Gebiet zunächst nicht tangierte, geriet die Sprockhöveler Wirtschaft ab den 1830er Jahren immer mehr ins Abseits.
Nur langsam erholten sich die Gemeinden von der Krise. Die Entdeckung von Kohleneisenstein im Raum Sprockhövel führte ab 1850 zur Gründung zahlreicher Eisensteinzechen, die für mehrere Jahre beziehungsweise Jahrzehnte den Bergbaubetrieb stark belebten.
Die 1854 gegründete Haßlinghauser Hütte war mit der modernsten Technologie ausgestattet und beschäftigte 180 Arbeiter. Das Hüttenwerk, das bald zum Aktienverein Neuschottland und ab 1872 zur Dortmunder Union gehörte, wurde in der Überproduktionskrise 1875 aus betriebswirtschaftlichen Gründen stillgelegt und zwang zahlreiche Haßlinghauser Familien zur Abwanderung.
Einen Eisenbahnanschluss erhielt Sprockhövel erst relativ spät. 1884 wurde die Strecke von Wichlinghausen (WuppertalBarmen) nach Hattingen durch Gennebreck und Sprockhövel eröffnet und 1889 die Nebenlinie Schee-Silschede durch Haßlinghausen und Hiddinghausen. Die Zechen gingen nun endlich zum Tiefbau über und können Produktion und Absatz erheblich steigern. Allerdings geriet der Bergbau, der ab 1865 der freien Konkurrenz unterlag, in Sprockhövel wegen der günstigeren Abbaubedingungen nördlich der Ruhr zunehmend ins Hintertreffen.
Bergleute und Schmiede begründeten Maschinenbau
Bergleute und Schmiede sowie tüchtige Ingenieure begründeten zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Sprockhöveler Maschinenbau. Speziell die Bergbauzulieferindustrie hatte durch ihre Produkte den Namen Sprockhövels international bekannt gemacht, ebenso wie die aus der Bandweberei hervorgegangenen Textiletikettenhersteller.
Die Schließung der ,,Südrandzechen“ des Ruhrgebiets 1924 traf die südlichen Ortsteile besonders hart. Die Zechen der Gewerkschaft ,,Deutschland“ wurden stillgelegt; damit kam der Bergbau im Raum Haßlinghausen/Gennebreck zum Erliegen.
Die Schließung der Zeche ,,Alte Haase“ in Niederstüter wurde durch die Erwerber VEW rückgängig gemacht; etwa 1000 Arbeitsplätze konnten hier gerettet werden.
In der Nachkriegszeit erlebte der Bergbau wieder eine ungeahnte Blüte. Klein und Kleinstzechen (im Volksmund: ,,Zeche Eimerweise“) schossen aus dem Boden, um die große Nachfrage nach Steinkohle für den Hausbrand und die Industrie zu befriedigen. Gegen Mitte der sechziger Jahre verschwanden die Kleinzechen, bedingt vor allem durch den Siegeszug des Erdöls. Als letzte Sprockhöveler Zeche schloss ,,Alte Haase“ 1969 die Tore.
Bindeglied zwischen Ruhrgebiet und Sauerland
Die Gemeinden des Amtes Haßlinghausen (ohne den größten Teil Linderhausens), ein Teil der Gemeinde Bredenscheid-Stüter (Niederstüter) und die Gemeinde Sprockhövel im Amt Blankenstein vereinigten sich im Rahmen der Kommunalen Neuordnung 1970 zur Stadt Sprockhövel. Ein Gemeinschaftsgefühl, eine Sprockhöveler ,,Identität“, hat es bei dieser historisch bedingten Orientierung auf unterschiedliche Zentren immer noch schwer. Der bipolare Charakter Sprockhövels trägt jedoch zur Vielfalt und Offenheit der Stadt bei, die ein Bindeglied zwischen Sauerland und Ruhrgebiet, zwischen dem rheinischen und dem westfälischen Landesteil bleiben wird.
Quellen
- Stadt Sprockhövel
- Stadtarchiv Sprockhövel
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